Bio – von der Nische zum Discounter

Biologische Lebensmittel und Produkte wie Kleidung, Kosmetik, Baustoffe, usw. sind heutzutage
allgegenwärtig. Ein neuer Trend sind Bioprodukte aber ganz und gar nicht. Die Wurzeln des
biologischen Landbaus gehen bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, als entsprechende
Impulse der Anthroposophie (Rudolf Steiner) zur Praxis der biodynamischen Landwirtschaft führten
und auf Verbraucherseite vor allem die Lebensreformbewegung Impulse für „natürliche“ und
unverfälschte Lebensmittel setzte.
Viele Jahrzehnte waren diese Inspirationen eher eine Randerscheinung, aber mit den gesellschaftlichen
Umbrüchen Ende der 60er Jahre kam auch Wind in die Segel der biologischen Landwirtschaft und
Produkte. Auf der einen Seite wurde immer deutlicher, welch große Umweltprobleme die chemisch-
synthetische Landwirtschaft mit sich bringt und auf der anderen Seite kreierten die entstehenden
alternativen bzw. Umweltbewegungen einen ersten großen Nachfrageschub nach gesunden und
umweltschonenden Bio- Produkten.
So hat sich zunächst ein Nischenmarkt entwickelt, der über Hofläden, erste Bio- Stände auf den
Wochenmärkten und in den seit den 70er Jahren entstehenden Bioläden, bedient wurde. Im Trend
deckte sich die ältere Generation eher in Reformhäusern mit Bioprodukten ein, während die jungen
„Alternativen“ z.. auch mit Erzeuger-Verbrauchergemeinschaften und Abo-Lieferservice eigene
Marktstrukturen entwickelten. Aus dieser Zeit stammt das heute retrospektiv auch gern belächelte
„Müsli-Latzhosen-Hippie“ Image der Naturkost.
Viel hat sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten geändert. Schon lange sind biologische Produkte
sozusagen in die Mitte der Gesellschaft gekommen. Ein Faktor für diese Nachfrageentwicklung waren
neben den zunehmenden Pestizidskandalen sicher auch die BSE-Rinderwahnkrise sowie die rasch
steigende Nachfrage nach Bioprodukten z.B. von älteren Menschen oder Familien . Ein Trend zu
Genuss und zur Qualität (auch als pendant zur „Geiz ist geil“ Mentalität) trägt ebenso dazu bei, dass
Bio sich auf dem Weg aus der Nische macht und offensichtlich kaum krisenanfällig ist. Der
Biomarkt entwickelt sich seit Jahrzehnten positiv nach oben und spiegelt einen signifikanten Wandel
im Verbraucherverhalten wieder. Im letzten Jahr betrug der gesamte Umsatz mit Bioprodukten alleine
in Deutschland fast 6 Milliarden Euro und hat damit über 6,5% des Gesamtumsatzes an Lebensmitteln
erreicht. Weltweit hat der Biomarkt gar eine wirtschaftliche Dimension weit über 50 Milliarden Dollar
erreicht. Ein Hinweis auf das Potential für biologische Lebensmittel ist auch die Tatsache, dass
zertifizierte Bioprodukte im Sektor Babynahrung sicher schon einen Marktanteil von 80% erobert
haben. Dahinter verbirgt sich die weitest verbreitete Logik: „Für unser Baby nur das Allerbeste… und
das ist Bio“.
Der Weg aus der Nische ist auch geprägt vom erschließen neuer Absatzkanäle im konventionellen
Lebensmittelhandel. Zunächst waren es vor allem kleinere und regionale Supermarktketten, die sich
mit Biolebensmittel in den Regalen als Pioniere positionierten. Den Trend haben aber auch die großen
Supermarktstätten schon vor vielen Jahren erkannt und so gibt es schon seit langem bei allen
Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels ein Biosortiment und entsprechende Eigenmarken. Wo
Nachfrage ist waren natürlich auch schnell die Discounter wie Aldi, Lidl und Plus zur Stelle. Und so
wird inzwischen ein nicht unwesentlicher Teil der Bioprodukte über diese Vermarktungsschiene
abgesetzt. Der größte Anteil Biokartoffeln und Biomöhren werden in Deutschland heute von Aldi
verkauft. Möhren gibt es schon seit langer Zeit bei Aldi überhaupt nur noch in Bioqualität. Auch wenn
man Bioprodukte heute überall findet, behaupten sich auch die Naturkostläden gut am Markt und ein
wesentlicher Teil des Wachstums ist den spezialisierten Bio-Supermärkten mit entsprechend
umfassendem Sortiment zu zuschreiben.Mit der wachsenden Nachfrage bzw. dem Erreichen einer so genannten „kritischen Masse“ werden
auch die Preisunterschiede zwischen konventionell und Bio geringer. Zunehmend gibt es in
Supermärkten und bei Discountern bereits Preisgleichheit und in Einzelfällen sind Bio- Produkte gar
billiger. Absolut nicht im Sinne des nach wie alternativen Anspruches der Bio -Branche ist es jedoch ,
wenn der im konventionellen Lebensmittelmarkt verbreitet brutale Preisdruck auf die
landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Kompromisse bei der Qualität sich auch im Biomarkt
ausbreiten.
Eine Trendwende in der Motivation biologische Lebensmittel einzukaufen zeichnet sich seit etlichen
Jahren ab. Schon immer war der Grund „Gesünder für mich“ ein wichtiger Nachfragegrund.
Zusammen mit „Gesünder für meine Kinder“ macht dies heute fast 50% der Nachfragemotivation
aus. Interessant ist die Tatsache, das mit 28% weit mehr als doppelt so viele Menschen Bioprodukte
nachfragen, weil es besser für Tiere ist. Das sind mehr als doppelt so viele Verbraucher/innen als
diejenigen mit der Motivation „besser für die Umwelt“. In jedem Fall ist es eindeutig, dass
Verbraucher zunehmend meinen, dass Bio gesund ist. Erwähnenswert ist allerdings auch die Tatsache,
dass mit eindeutig steigender Tendenz inzwischen 46% der Biokonsumenten ihre Präferenz auch mit
der besseren Qualität bzw. dem besseren Geschmack begründen.
Die erfreuliche Entwicklung des Biomarktes lässt sich nicht Boom beschreiben, denn der ist in der
Regel ja kurzfristiger Natur. Das kontinuierliche und sozusagen „organische“ Wachstum ist geprägt
von einem nun schon sehr lang anhaltenden Trend, der mittlerweile alle Bevölkerungsschichten
ergriffen, die gemeinsam haben, dass sie gesunde, weitgehend im Einklang mit der Natur erzeugte
und gute Lebensmittel und Produkte konsumieren wollen.
Bernward Geier