Grenzwerte

Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2)

Vor dem Hintergrund drohender Fahrverbote für Dieselfahrzeuge werden von interessierter Seite (unter anderem von Verkehrsminister Scheuer, CSU) die Berechtigung der geltenden Grenzwerte von 40µg/m³ in der Luft als viel zu streng und nur auf der Basis ungeeigneter Forschungsdaten ermittelt kritisiert. Die behauptete Zahl von 6.000 vorzeitigen Todesfällen durch NO2 (Umweltbundesamt) pro Jahr in Deutschland sei wissenschaftlich nicht belegbar.

Der Grenzwert für Stickstoffdioxid ist ein Vorsorgewert und soll gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch eine dauerhafte Belastung mit dem Luftschadstoff vorbeugen. In verschiedenen Studien ist der Zusammenhang zwischen NO2 und einer erhöhten Sterblichkeit sowie einem steigenden Risiko für Atemwegserkrankungen mit wissenschaftlich anerkannten Verfahren belegt. Diese Studienergebnisse werden oft mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass es keine “NO2-Krankheit” oder sogar einen “NO2-Toten” gäbe. Das ist zwar grundsätzlich richtig, wird durch die angeführten Studien aber auch gar nicht behauptet. Es gibt ja auch keine “Stresskrankheit” und dennoch beeinflusst Stress die Gesundheit negativ. Epidemiologie-Studien identifizieren Risikofaktoren, die die Entstehung bestimmter Erkrankungen beeinflussen können. Aus den Studien wird deutlich: NO2 erhöht das Risiko von Atemwegserkrankungen und verkürzt die Lebenserwartung. Ein Grenzwert, unter dem kein Gesundheitsrisiko besteht, wird aus den Studien nicht ersichtlich. Im Gegenteil steigt die Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen mit einer zunehmenden NO2-Belastung linear an. Um Gesundheitswirkungen vorzubeugen müssen also schon geringe Belastungen vermieden werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) plant deshalb, ihre Grenzwertempfehlung auf 20 µg/m³ abzusenken. Die Evaluierung der jetzigen Empfehlungen läuft zum Jahr 2020. Auch der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat sich in seiner Stellungnahme zum Peer-Review 2018 einstimmig (also auch FDP und AfD) für eine solche Absenkung ausgesprochen.

Der Vorwurf, epidemiologische Studien könnten andere Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum oder andere Luftschadstoffe nicht ausschließen, ist nicht berechtigt. Ernährungsgewohnheiten, Rauchen, Alkoholkonsum, usw. werden als weitere Risikofaktoren in den Rechnungen berücksichtigt. Auch die Wirkung andere Luftschadstoffe kann berücksichtigt werden, sofern hier getrennt erfasste Daten vorliegen. Unabhängig davon ist NO2 ein guter Indikator für andere verkehrsbedingte Luftschadstoffe wie Ruß oder krebserregende Kohlenwasserstoffe.

  • Den Jahresmittelwert von 40 µg/m³ für Stickstoffdioxid haben die EU-Mitgliedstaaten auf Empfehlung der EU-Kommission bereits 1999 beschlossen. 2008 haben EU-Parlament und Mitgliedstaaten diesen Wert noch einmal bestätigt. Es handelt sich also um eine europarechtliche Vorgabe, die in allen EU-Staaten seit 2010 einzuhalten ist. In Österreich gilt seit 2012 sogar ein noch strengerer Grenzwert von 35 µg/m³.

Viele europäische Großstädte haben schon frühzeitig Fahrverbote für alte Dieselautos ausgesprochen oder regeln den Autoverkehr in den Innenstädten beispielsweise über City-Maut-Systeme. Metropolen wie Oslo und Paris reagieren zusätzlich zu bestehenden Verkehrsbeschränkungen mit temporären Fahrverboten bei Luftverschmutzungsalarm. Darüber hinaus soll in Paris ab 2024 ein Fahrverbot für alle Diesel-PKW gelten, ab 2030 sollen dann gar keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr in Paris fahren dürfen.

  • Andere Städte haben also schon deutlich früher wirksame Maßnahmen und nachhaltige Verkehrskonzepte auf den Weg gebracht, um die Luft- und Lebensqualität zu verbessern. Gerichtlich verhängte Fahrverbote für Diesel in einigen deutschen Städte sind nun die Quittung dafür, dass Bund, Länder und Kommunen seit Jahren die Verkehrswende und damit wirksame Maßnahmen zur Luftreinhaltung verschlafen. Im Fall von Bayern passiert das sogar mit Vorsatz. Der Europäische Gerichtshof prüft deshalb derzeit, ob unter anderem der Bayerische Ministerpräsident in Zwangshaft genommen werden kann, weil er die gerichtlich angeordnete Aktualisierung des Luftreinhalteplans trotz bereits verhängten Ordnungsgeldes verschleppt.

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